14. März 2016 / FOCUS
Monopoly Deutschland
Der große Immobilienreport 2016 - Ein Krimi in Zeiten von Niedrigzinsen und der Angst vor der Immobilienblase
Deutschlands Immobilienmarkt boomt. 2015 überstieg der Umsatz mit Immobilien (Gewerbe und Wohnungen) erstmals die 200-Milliarden-Euro-Marke. Der Wert aller ausstehenden privaten Immobiliendarlehen in Deutschland liegt nun bei 1,1 Billionen Euro - mehr als ein Drittel des gesamten Bruttoinlandsprodukts der Bundesrepublik. [...]
In München legte ein Käufer 25.000 Euro pro Quadratmeter hin. Dafür steht seine Villa auf dem Grundstück, dass früher Thomas Mann gehört hatte. Der neue Besitzer namens Thomas Manns, nun wohnhaft in der Thomas-Mann-Allee, besitzt damit nicht nur das teuerste Einfamilienhaus Münchens, sondern auch eine wirklich schöne Adresse.
Gut einen Kilometer Luftlinie von Manns' Schlösschen entfernt feierte Multimilliardär Friedrich Karl Flick einst in seiner Villa legendäre Feste. Heute riecht es dort nach Beton und schwerer Männerarbeit. Zahllose Kabel hängen von der Decke des Rohbaus, und während es draußen schneeregnet, werden innen die Wände mit Heißluft trocken gepustet. Wer sich für den Wohnkomplex The One interessiert, braucht viel Fantasie. Trotzdem sind von den neun Einheiten bereits acht verkauft, außerdem das Penthouse (700 Quadratmeter Wohnfläche) zu einem zweistelligen Millionenbetrag.
"Wohin sollen die Leute auch gehen mit ihrem Vermögen? Neben Immobilien bleiben nur Kunst und Oldtimer, und zu beidem würde ich nicht raten", erklärt Detlev von Wangenheim, Gründer der Maklerfirma Duken & v. Wangenheim und einer der Größten im Münchner Immobilienmarkt. Auch das The One, realisiert von M-Concept, zählt zu seinen Vertriebsobjekten.
Angesichts der Nullverzinsung von Tagesgeld und der sensationell niedrigen Zinsen für Baukredite wächst deutschlandweit das Interesse an Grund und Boden. "Wer heute in Immobilien investiert, will sein Geld sicher parken", sagt von Wangenheim. Es gehe den Käufern weniger um Mieteinnahmen als um Spekulationsgewinne.
Die Folgen der großen Nachfrage können selbst einen Profi wie von Wangenheim noch verblüffen: Eine "schmalbrüstigeDoppelhaushälfte in Bogenhausen", die sein Büro im vergangenen Jahr bodenständig mit 1,9 Millionen Euro eingepreist hatte, war so begehrt, dass schließlich der Meistbietende den Zuschlag erhalten sollte. "Gezahlt wurden 4,3 Millionen Euro", erzählt Detlev von Wangenheim. Und staunt immer noch darüber.
Mitarbeiter Tobias Schneider, Architekt und Immobilienökonom, war gerade in Berlin und hat sich den Wohnungsmarkt dort angeschaut. "Die Hauptstadt", glaubt er, "ist etwas für Monopoly-Spieler. Für Investoren, die in die verschiedensten Immobilien investieren und sich auch mal Extravagantes leisten, um ihr Sammelalbum voll zu bekommen." In München dagegen, so der Experte, "kauft man Immobilien in exzellenten Lagen lieber für den Eigenbedarf. Selbst wenn man vielleicht erst im Ruhestand dort wohnen wird." [...]
Ist das der Anfang einer Immobilienblase? Oder bereits der Anfang vom Ende? In München, so eine Studie von Immobilienscout24 im Auftrag von FOCUS, nehmen die Leute inzwischen im Schnitt 340.000 Euro pro Immobilienkauf als Kredit auf, in Berlin verschulden sie sich immerhin noch mit 206.000 Euro. Die Bundesbank warnt bereits vor einer Überbewertung von Immobilien in den Top-7-Großstädten um 25 Prozent. Sie bezweifelt damit, dass die jüngsten Preisanstiege noch gerechtfertigt sind: "Wir sehen, dass es in Immobilienmärkten in Teilen zu Preisübertreibungen kommt." Eine Blasenbildung wie einst in Spanien oder den USA erkennen die Experten allerdings nicht. [...]